Zeitenwandel im Handel

Wo steht der stationäre Einzelhandel? Wieviel Leben steckt noch in ihm?

– von Sören Ott, Vorstand Gruppe Nymphenburg –

Gruppe Nymphenburg und Ebner Stolz haben sich in der gemeinsamen Studie „Zeitenwende im Handel“ mit den Zukunftsperspektiven des stationären Einzelhandels beschäftigt. Durch aktuelle Aus- und Nebenwirkungen wie der Covid-19-Pandemie, der Lieferkettenkrise, dem Ukrainekrieg und der Inflation summieren sich die überwiegend exogenen Marktfaktoren und stellen weltweit viele Branchen vor fundamentale Herausforderungen. Wo steht der stationäre Einzelhandel? Wieviel Leben steckt noch in ihm? Wie sieht seine Zukunft aus? Und wie können die derzeitigen Herausforderungen in Verbindung mit den Erwartungen der Kunden bewältigt werden? Unteranderem damit beschäftigt sich die Studie von Gruppe Nymphenburg und Ebner Stolz.

Der stationäre Handel muss viel stärker auf unterschiedliche Kundengruppen einstellen

Im Mittelpunkt steht eine kritische Abwägung der strategischen Stellhebel, die dem stationären Handel gegenüber dem Online-Handel zur Verfügung stehen. Der stationäre Einzelhandel muss sich aufgrund der beschriebenen Herausforderungen viel stärker auf die unterschiedlichen Kundengruppen und deren Motivlagen und Bedürfnisse sowie die standortspezifischen Ausprägungen einstellen – und die Standorte entsprechend ausrichten. Die Ergebnisse der Studie werden in sieben, kompakten Thesen zusammengefasst. Aus ihnen wird abgeleitet, wie Erfolgskonzepte und Handlungsoptionen für den stationären Einzelhandel aussehen können. Einzelhändlern mit der Bereitschaft zur laufenden Anpassung und Weiterentwicklung werden Ideen und Ansatzpunkte an die Hand gegeben, um sich in weiterhin schwierigen Zeiten erfolgreich zu behaupten.

Die Studie beleuchtet den Einzelhandel aus drei Perspektiven

Im Rahmen der Studie wurden ausführliche Interviews mit Endkunden, Vertretern aus dem Einzelhandel selbst (C-Level) sowie (neuro-)wissenschaftlichen Experten geführt. Mit den gewählten Blickwinkeln aus Endkundenperspektive, Praktiker-Erfahrung und wissenschaftlicher Betrachtung konnte die aktuelle Situation des stationären Einzelhandels umfänglich betrachtet und bewertet werden. Für die Kunden-Perspektive wurden im Dezember 2021 mit einer bundesweiten Stichprobe mehr als 2000 Online-Interviews in Deutschland durchgeführt. Die Befragung wurde im August 2022 wiederholt, um aktuelle Trends zu berücksichtigen, aber auch um die Datenstabilität zu verbessern. Im Rahmen der Befragung wurde das Online-Offline-Kaufverhalten für viele wichtige Branchen im Detail erfasst und hinterfragt. Zusätzlich erfolgte eine (neuro-) wissenschaftliche Betrachtung mit folgenden Fragestellungen: Welche Auswirkungen haben gegenwärtige Krisen auf uns Menschen – und unterschiedliche Zielgruppen? Wie verändert sich das Verhalten der Konsumenten aus psychologischer Sicht? Was möchte/erwartet der Kunde/ Konsument (Treiber und Barrieren)? Wie wichtig ist der stationäre Einzelhandel u. a. als sozialer Kontaktpunkt – auch mit Blick auf das Ziel, dass unsere Innenstädte nicht (weiter) veröden sollen. Dazu wurden drei renommierte Psychologen und (Neuro-)Wissenschaftler befragt und deren Sichtweisen in der Studie zusammengefasst. Die Studie wird abgerundet durch die Berücksichtigung der Handels-Perspektive: CEO-Gespräche, die mit Handels-Managern verschiedener Segmente im Einzelhandel geführt wurden: Wie schätzen sie die aktuelle Situation des stationären Einzelhandels ein, wo liegen Risiken, wo aber auch Chancen? Aus der Befragung und den geführten Interviews konnten wertvolle Erkenntnisse als Basis für die sieben nachfolgend formulierten Thesen gewonnen werden.

Die 7 Thesen für die Zukunft des stationären Einzelhandels im Überblick

  1. Die Bedeutungen haben sich verändert: Online ist heute der prägende Kanal, aber der stationäre Handel hat seine Berechtigung. Der stationäre Handel muss seine ihm eigenen und individuellen Stärken besser spielen. Denn nur wenn die „positive Emotionalisierung“ des Kunden und der wahrgenommene Nutzen, der durch den Besuch eines stationären POS entsteht (s. These 2), größer bzw. intensiver sind als der Vorteil/ Nutzen, der durch den Online-Handel generiert wird, kann sich der stationäre Handel gegenüber dem Online-Handel langfristig behaupten.
  2. Der stationäre Einzelhandel muss seine ureigenen Stärken konsequent und v.a. besser spielen: Ausrichtung auf Zielkunden, standortspezifische Ausprägungen und Formattypen, mit unterschiedlichen Prämissen in den Branchen. Die Anforderungen an Produkterlebnis, Einkaufsatmosphäre etc., variieren branchenspezifisch. Die bedürfnisorientierte Ausrichtung auf die unterschiedlichen Kundengruppen vor Ort gilt als Notwendigkeit.
  3. Der Point-of-Sale entwickelt sich zum Point-of-Experience: Konsequente Erfüllung der Bedürfnisse der Kunden mit einem intelligenten und relevanten Mix aus Produkt, Service & Erleben. Der stationäre Einzelhandel muss sich laufend die Frage stellen, wie er den wachsenden Anforderungen der Konsumenten und der nochmals gestiegenen Komplexität gerecht werden kann.
  4. Der stationäre Handel muss seine Kunden kennen (lernen): Datenkompetenz wird zur Pflicht, der Rückstand bei data-driven-Insights muss aufgeholt werden. Der Einzelhandel muss Mechanismen zur plattformübergreifenden strukturierten Datengewinnung und
    -verwendung entwickeln & implementieren.
  5. Schluss mit dem Einheitsbrei: Customized offers lösen „one-size-fits-all-Ansätze“ ab. Zur Differenzierung gegenüber dem Online-Handel rückt die spezifische Bedürfniserfüllung weiter in den Mittelpunkt: Das heißt individuelle (Produkt-) Interaktionen und Erlebnisse zu schaffen, um von einer überdurchschnittlich hohen Zahlungsbereitschaft zu profitieren.
  6. „Nichts ist für den Mensch wichtiger als der Mensch“: Intelligent eingesetzte Personalressourcen und ein hoher Grad an Automatisierung schaffen Platz für wichtige menschliche Interaktion. Gerade vor dem Hintergrund der überwiegend anonymen Kaufprozesse im Online-Handel rückt der stationäre Einzelhandel als soziale Interaktionsplattform in den Mittelpunkt der Kunden – je nach Branche in unterschiedlichen Dimensionen.
  7. Be(come) a local Hero: Handelskonzepte müssen sich in die regionalen Strukturen vernetzen, Regionalität wird ein zunehmend positiv emotionalisierender Faktor. Regionalität heißt außerdem, der gesellschaftlichen Verantwortung als sichtbarer Stakeholder vor Ort gerecht zu werden.

Dieser stark gestraffte Blick in die Studie von Gruppe Nymphenburg und Ebner Stolz kann über die Anforderung des kompletten Thesenpapiers vertieft werden. Bei Interesse wenden Sie sich gerne an Sören Ott, Vorstand Gruppe Nymphenburg, erreichbar über s.ott@nymphenburg.de.