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07Nov/23
Temel Kahyaoglu

Retail Media und Content Logistics

von Temel Kahyaoglu, The Group of Analysts –

Unternehmen im Industrie- und Handelsgeflecht suchen seit jeher nach immer neuen Möglichkeiten, ihre Produkte möglichst effektiv zu vermarkten. Mit dem enormen Wachstum des Onlinehandels hat sich die Kommunikationsstrategie sowohl der Marken selbst als auch der Händler dramatisch diversifiziert. Die Customer Journey wird nicht länger als eine einfache Einbahnstraße verstanden, sondern als kanalübergreifende, multidimensionale und kontextabhängige Interaktionskette, die mit geeigneten Maßnahmen kontrolliert werden muss.

Die Basis dafür sind wie immer Daten – Kunden-, Produkt-, Standort- und Wettbewerbsdaten müssen sinnhaft miteinander vernetzt und instrumentalisiert werden, um Zielgruppen am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, mit dem richtigen Angebot und der richtigen Botschaft ansprechen zu können. Content Logistics beschreibt die Komplexität der Distribution dieser Botschaften in die immer größer werdende Anzahl an Kanälen. Das wiederum ist eine Aufgabe, die das richtige Werkzeug braucht: Die Information Supply Chain beschreibt die digitale Wertschöpfungskette von Unternehmen und hilft dabei, die relevanten Datenflüsse sehr detailliert zu skizzieren und damit Digitalisierungspotenziale zu erkennen und strategisch umzusetzen.

Die Komplexität ist allerdings nicht die einzige Herausforderung, die Unternehmen für sich lösen müssen. Der Konkurrenzdruck im Digital Commerce steigt, höhere Kosten und der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen dazu, ihre interne Effizienz zu erhöhen und der Gesetzgeber verschärft die Situation nur noch. Ob Lieferkettengesetz oder DSGVO: die Produktkommunikation der Unternehmen liegt mehr denn je auf dem Prüfstein und die Möglichkeiten, Zielgruppen im Digital Commerce anzusprechen, schwinden.

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) hat mit dem Retail Media Circle (RMC) einen Fachkreis gebildet, der sich mit den heutigen Möglichkeiten im Onlinehandel befassen und mehr Transparenz für die Vermarktungsvielfalt schaffen soll. Ein Ergebnis des Fachkreises ist eine klare Definition des an sich nicht neuen Begriffs Retail Media und das Bestreben, allgemeingültige KPIs für das sogenannte „360° Retail Media Portfolio“ festzulegen. Während sich viele Medien, Events und Plattformen bei diesem derzeit heiß diskutierten Thema in erster Linie auf den Onlinehandel fokussieren, gilt es insbesondere für Branchen wie dem Lebensmitteleinzelhandel vor allem auf den stationären Handel zu schauen. Denn hier liegt der Anteil des Onlinehandels nach wie vor im marginalen Bereich. Die Potenziale von Retail Media am Point of Sale sind enorm und Branchenführer wie Walmart geben den Takt vor: intelligent platzierte Werbebotschaften im stationären Handel nehmen Konsumenten mit auf eine sorgfältig inszenierte Reise.

Content Logistics

Content Logistics beschreibt die Bereitstellung von Informationen über verschiedene Kanäle, um bestimmte Ziele zu erreichen. Diese Informationen müssen für jeden einzelnen Zweck optimiert werden. Beeinflusst wird die Gestalt dieser Informationen dabei von ganz unterschiedlichen Faktoren. Dazu zählt sowohl der jeweilige Ausgabekanal als auch die anvisierte Zielgruppe und der Kontext, in dem der Content ausgespielt wird. Während diese auf den Endkonsumenten fokussierte Perspektive den meisten Kommunikationsverantwortlichen bereits klar ist, gibt es daneben drei weitere Perspektiven, die die DNA des Contents beeinflussen.

Die Perspektive der Mitarbeiter berücksichtigt das einzigartige interne Wissen, das insbesondere einen Blick auf die sonst versteckten Relationen erlaubt und Entscheidungen miteinbezieht, die einen strategischen Einfluss auf die Geschäftsentwicklung und die Kommunikation der Unternehmen nehmen. Wir sehen hier einen deutlichen Wandel in den Unternehmen: Aufgaben in der Daten- und Contentpflege werden mehr und mehr automatisiert und Mitarbeiter werden effektiver dafür eingesetzt, ihre businessrelevante Perspektive einzubringen.

In der Perspektive auf das Unternehmen geht es um vielschichtige Themen vom Produkt, den Lösungen und Services bis hin zur Organisation und den Prozessen, dem Fulfillment, den Kanälen und dem Innovationszyklus. Die zahlreichen Interdependenzen zwischen den Einzelelementen der Unternehmensperspektive erfordern diesen Gesamtblick – andernfalls lassen sich Ergebnisse und KPIs nie eindeutig interpretieren.

Schließlich muss auch die Marktstrategie einbezogen werden – hier geht es darum, Marktreaktionen und -geschehnisse in Echtzeit zu identifizieren und die Kommunikationsstrategie entsprechend kontinuierlich anzupassen und zu optimieren.

All diese Perspektiven in einen Einklang zu bringen und in Form einer intelligenten digitalen Logistik zu instrumentalisieren, ist Aufgabe des Information Supply Chain Managements.

Information Supply Chain Management

Die Information Supply Chain beschreibt die digitale Wertschöpfungskette von der Beschaffung der Daten über ihre Aufbereitung bis hin zu ihrer Distribution in die unterschiedlichen Ausgabekanäle. Dabei wirft die Information Supply Chain insbesondere einen Blick auf die in diesen einzelnen logistischen Ebenen verorteten Softwaredisziplinen und bietet Unternehmen damit eine sehr transparente und einfache Methodik, um ihre Systemlandschaft sinnhaft zu skizzieren und als Grundlage für wichtige Entscheidungen die Digitalisierungsstrategie betreffend zu benutzen.

In der Beschaffungslogistik werden sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten beschafft, verwaltet und transponiert. Relevante Softwaredisziplinen in diesem Bereich der digitalen Logistik sind das Product Information Management (PIM), Digital Asset Management (DAM), Customer Relationship Management (CRM), Master Data Management (MDM), Enterprise Resource Planning (ERP) und weitere Systeme.

In der Aufbereitungslogistik werden Daten zu Informationen verarbeitet. Neben der Globalisierung von Informationen (Mehrsprachigkeit, semantische und kulturelle Adaptionen, etc.), der Kommunikationsgestaltung (Print, Online und Mobile Publishing) und der Planung von Kommunikation (Marketing Operations, Automation und KI) findet hier auch die eigentliche Kollaboration und Steuerung der Informationslogistik statt.

Die Distributionslogistik stellt schließlich die Applikationslandschaft dar, die Daten und Informationen verteilen können. Dabei lassen sich statische nicht-digitale, statische digitale, Echtzeit- und Commerce-Content-Arten unterscheiden. Statischer Content hat zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung eine bestimmte festgelegte Form – Beispiele sind Kataloge, Etiketten oder Verpackungen. Statischer digitaler Content wird technisch über Content Management Systeme ausgegeben, die in erster Linie Webseite bedienen aber auch globale Datenpools im Handelszenario. Real-time Content wird zu dem Zeitpunkt, in dem das Kundenerlebnis stattfindet, aus beschafften, granularen Daten über die Aufbereitungsschicht zu Informationen verarbeitet, in Content-Form gegossen und über die Distributionsschicht in das entsprechende Interface ausgeliefert. Die wachsende Bedeutung solcher Szenarien verdeutlicht die Dringlichkeit, die systematischen Voraussetzungen für solche Technologien zu schaffen. Commerce-Content berücksichtigt außerdem kontextabhängige Aspekte wie volatile Preise, Lokalisierung, die physische Logistik, etc.

Retail Media

Retail Media hat die Aufgabe, Marken und ihre Produkte entlang der Customer Journey so zu positionieren, dass sie an jedem Touchpoint möglichst relevant und attraktiv dargestellt werden und die Kommunikation in ihrem Kontext dabei möglichst natürlich ist. Die Basis dafür sollen verwendbare Kundendaten liefern, die im digitalen und im physischen Ökosystems des Händlers entsprechend genutzt werden.

Amazon nimmt bereits einen Großteil seines Umsatzes durch den Verkauf von Werbeplätzen ein und auch hiesige Handelsunternehmen wie Media Markt oder Otto ziehen mit entsprechenden Angeboten nach. Der Vorteil dieser Handelsplattformen liegt natürlich auf der Hand: einerseits hat sich die Popularität der Onlinemarktplätze in den vergangenen Jahren stark erhöht – viele Konsumenten suchen heute direkt auf den Plattformen nach Angeboten, anstatt Suchmaschinen zu nutzen. In der Konsequenz verfügen diese Händler über einen riesigen Kundendatenschatz, den sie für personalisierte Werbung nutzen können.

Neben dem Bereich Advertising, zu dem eine Reihe von Maßnahmen wie Onsite-Werbung in Onlineshops oder Instore-Media-Angebote im stationären Handel gehören, gibt es drei weitere Business-Bereiche im Kontext von Retail Media. Der Bereich „Insights“ liefert messbare Ergebnisse aus der Customer Journey, die für die Optimierung der Kommunikation und der Werbeausgaben genutzt werden können. Der Bereich „Partner Programs“ soll Maßnahmen abdecken, um die Beziehung zu den Kunden weiter zu stärken und der Bereich „Content“ umfasst die Erstellung und die Produktion von Product Content, der die Interaktion der Kunden mit der Marke steigern und optimieren sollen.

Potenziale am Point of Sale

Wie eingangs bereits erwähnt, ist das Onlinegeschäft insgesamt zwar deutlich auf dem Vormarsch – für Branchen wie dem Lebensmitteleinzelhandel liegen die größten Potenziale jedoch nach wie vor im physischen Handel. Es ist also unabdingbar, im Kontext von Retail Media den Point of Sale nicht zu ignorieren, denn auch hier gibt es heute Möglichkeiten und Technologien, die die Customer Journey mittels kontextualisierter Werbung auf intelligent platzierten Bildschirmen sehr präzise beeinflussen und Marken und ihre Produkte damit sehr effektiv vor den Augen der Kunden platzieren.

Retail Media bietet Marken damit vielschichtige Möglichkeiten, ihre Produkte im Handel optimal zu platzieren.

Über Temel Kahyaoglu

Temel Kahyaoglu ist in verschiedenen Beratungspositionen tätig und leitet The Group of Analysts als Gründer und CEO seit 2010. Er erfand den Begriff des Information Supply Chain Managements im Jahr 2007 und ist der intellektuelle Vater der Market Performance Wheels – das am meisten respektierte Analystenwerkzeug in DACH neben dem Magic Quadrant von Gartner und dem Wave von Forrester. Mit seiner Privatkapitalgesellschaft The Grand Orchestra Audience gründete er vier Analystenunternehmen mit dem Ziel, die Transparenz im Softwaremarkt zu erhöhen.

M +49 173 6020 515 |  temel@tgoa.com

Über The Group of Analysts (TGOA)

Das renommierte Analystenhaus The Group of Analysts (TGOA) beobachtet seit 2010 den Markt für Unternehmenssoftware mit seiner einzigartigen Analysemethode „Market Performance Wheel“ mit dem Ziel, Transparenz für alle zu schaffen. Im Jahr 2021 wurden drei neue Unternehmen gegründet, die mit ihren jeweiligen Schwerpunkten das TGOA-Konzept potenzieren. The Group of Authors fördert als Verlagshaus mit Publikationen wie den Studien zu den wichtigsten Softwaremärkten, der Whitepaper-Reihe „headsUp“, dem Printmagazin „The Gazette“ oder dem Print-Marktverzeichnis „The Market“ die Kommunikation und das Thought Leadership im Markt. The Group of Advisors bietet als Beratungshaus ganzheitliche Beratungsleistungen zu allen Themen der Digitalisierungen an.

www.tgoa.com | heads@tgoa.com

 

28Jun/19
Wohin geht die Reise von DooH und Digital Signage?

Wohin geht die Reise von DooH und Digital Signage? Airmotion Media bat um den Experten-Check

Dr. Klaus-Holger Kille: “Digitale Außenwerbung mit Infos hoher Relevanz wird
immer entscheidender”

 

“Digital Out of Home” (DooH) steht für die digitale Werbung über Bildschirme oder andere elektronische, zunehmend interaktive Anzeigemöglichkeiten im öffentlichen Außenbereich. Beeindruckend futuristischer, aber wenig wirtschaftlicher “Werbe-Schnickschnack” – so wurde DooH anfangs oft abgekanzelt. Doch nicht zuletzt dank der gesellschaftlichen Entwicklung von Smartphone & Co. konnte sich der neue Werbekanal behaupten. Mit der Idee, nachrichtliche oder unterhaltsame Inhalte mitzutransportieren (Digital Signage), hat DooH seine Mehrwert-Reize sogar ausgebaut.

Und die künftigen Einsatzmöglichkeiten sind bei weitem noch nicht ausgesponnen. Airmotion Media traf sich mit Dr. Klaus-Holger Kille, einem der führenden Experten für DooH in Deutschland, um fünf Kernfragen zu dieser interessanten jungen Werbeform zu besprechen:

Airmotion Media: Herr Dr. Kille, was sind die Trends 2019 im Bereich Digital Out of Home?

Dr. Klaus-Holger Kille: Im Außenbereich ist die Belegung digitaler, programmatisch buchbarer Werbeinventare in Bahnhöfen Status quo. Entscheidend wird die Nähe zu Verkaufspunkten (PoS) sein. Kampagnen wie von Ströer, Maggi und Rewe sind erste Ansatzpunkte, Kampagnen direkt in der Nähe von Märkten auszuspielen. Der Mix Nachrichten und Werbung mit Informationen hoher Relevanz (z.B. Hunger, Durst) wird tageszeitlich immer entscheidender. In breiter Masse fehlt noch die Verlängerung in die Märkte.

Wird Voice im DooH – wie in anderen Bereichen auch – eine größere Rolle spielen? Wenn ja, wie?

Auf jeden Fall. Allerdings weniger in der Verbauung der Sprachassistenten im Außenbereich, sondern eher durch Hinweis, welcher Skill auf dem eigenen Smartphone aufgerufen werden kann – egal ob über Amazons Alexa oder Google Assistant. In den Märkten selbst werden Informationsstände sicher auch durch festinstallierte Sprachassistenten unterstützt, die der Kunde im Markt zur Information oder bei vertiefenden Fragen nutzen kann – Beispiel HIT-Markt in Aachen als Pilot.

Wie gehen Sie im Bereich DooH mit der Erfolgsmessung um, die ja in Zeiten von Targeting und Co. immer wichtiger wird?

Hier wird sicher die gleiche Frage aufkommen, wie Währungen miteinander verglichen werden können. AGF hat mit TV und Youtube einen sehr aussichtsreichen Ansatz der Vergleichbarkeit gestartet, die weltweit einmalig ist. Diese Methodik in den DooH-Bereich zu überführen, wird die nächsten fünf Jahre Thema sein.

Wie wirken sich Online-Shopping via Alexa & Co. auf den Food-Einzelhandel aus? Was bedeutet das für DooH?

Online Shopping im Food-Bereich ist marginal. Allerdings existieren Gruppen von Commodity-Waren, die sich der Kunden lieber nach Hause schicken lässt, statt diese selbst einzukaufen. Dazu gehören etwa Getränkekisten und diverse wiederkehrende Non-Food- oder Near-Food-Artikel (Waschmittel, Toilettenpapier etc.). Der Fokus wird sich stärker auf den Erlebniskauf in Märkten legen – und der Online-Kauf wiederum wird sich auf unbeliebtere, aber lebensnotwendigere Produkte des täglichen Bedarfs fokussieren.

Wie wird sich die Darstellung von Content verändern?

Content wird immer individueller auf die Bedürfnisse der Einzelnen abgestimmt werden. Beispiele hierfür sind die Netflix-Entwicklung oder personalisierte Nachrichten. Die Aufmerksamkeitsdauer für ein Medium ist auf einem Tiefpunkt. Daher muss die crossmediale Kommunikation von synchronisiertem Content stärker bedacht werden (Mobile, DooH, Voice, klassische Medien).